22.4.08

WILHELM RAABE: DIE REGENNACHT


WILHELM RAABE (1831-1910)



DIE REGENNACHT


Ein armer Mann lag er auf seinem Lager
Und horchte, wie der Regen niederrauschte;
Ein altes Weiblein, giftig, gelb und hager,
Krankheit genannt, hielt Wacht,
Und es war Nacht,
War lange, schaurig kalte Regennacht.

Dem Manne weh, der einsam und verlassen
In solcher Nacht sich quält mit seinem Leben,
Der horchen muß dem Regen in den Gassen
Und zählen muß den Glockenschlag
Bis zu dem Tag,
Dem langen, grauen, öden Wintertag!

Das Auge fängt sich in des Vorhangs Falten,
Nur matten Schein verhüllt die Lampe wirft,
Schatten und Nacht! Und in der Nacht Gestalten
Und Tongewirr! Der Regen niederrauscht,
Die Seele lauscht
Und ängstet sich, verliert sich in sich selber!

Ein fröstelnd Feuer! Bei dem Rauschen, Rauschen
Geseufz des Windes vor dem verhangnen Fenster.
Oh unerträglich qualvoll, schmerzhaft Lauschen,
Das an den Nerven zerrt und zuckt!
Der Tod, der guckt
Sich überbeugend ins Gesicht dem Opfer.

Und wie die Tropfen unaufhörlich fallen,
Und wie es klingt und klopft und gießt und plätschert,
Da hört er leise Geistertritte hallen,
Und tote Jahre, Tage längst entschwunden,
Vergeßne Stunden
Ziehen lebendig durch die bange Seele.

Denke daran, in Sonne lag die Welt,
Wacht hielt die Mutter über dich im Schatten,
Ein Kind warst du auf einem Blumenfeld,
Denke der Kindheit, armer kranker Mann,
Denke daran,
Wie sich die Blüten schaukelten im Weste!
Denke daran, du standst auf Bergesgipfeln,
Es hielt dein starker Arm die Braut umschlungen;
Tief unter dir der Tannen dunkle Wipfel
Und weit der Täler, Hügel grüner Kranz
Im sonngen Glanz -
Denke der duftgen, hoffnungsreichen Ferne!

Denke daran, die Lerche sang im Blauen,
Als in dein Haus du führtest die Geliebte,
Denk, wie im Segen prangten reich die Auen!
Denk, wie die Häupter neigeten die Ähren,
Die hoffnungsschweren,
Denk, wie die Sichel blitzte in der Sonne!

Weh, welche Nacht! Will nie der Regen enden?
Zu glühndem Feuer wird ein jeder Tropfen!
Was hilft's die bange Seele abzuwenden?
Ein Leichenduft kalt ins Gesicht ihm schlägt,
Vorüber trägt
Vor dem geschloßnen Aug man seine Särge!

Ein armer Mann lag er auf seinem Lager
Und horchte, wie der Regen niederrauschte;
Ein altes Weiblein, giftig, gelb und hager,
Krankheit genannt, hielt Wacht,
Und es war Nacht,
War lange, schaurig kalte Regennacht.

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