15.11.09

AUGUST KOPISCH: DIE ROGGENMUHME


AUGUST KOPISCH (1799-1853)


DIE ROGGENMUHME


Lass stehn die Blume!
Geh nicht ins Korn!
Die Roggenmuhme
Zieht um da vorn!
Bald duckt sie nieder,
Bald guckt sie wieder:
Sie wird die Kinder fangen,
Die nach den Blumen langen!

13.11.09

GEORG HERWEGH: AN DIE DEUTSCHEN DICHTER


GEORG HERWEGH (1817-1875)


AN DIE DEUTSCHEN DICHTER


Seid stolz! es klingt kein Gold der Welt
Wie eurer Saiten Gold;
Es ist kein Fürst so hoch gestellt,
Daß ihr ihm dienen sollt!

Trotz Erz und Marmor stürb er doch,
Wenn ihr ihn sterben ließet;
Der schönste Purpur ist annoch
Das Blut, das ihr als Lied vergießet!

Der Ruhm der Herrscher wird verweht -
Lobpreis ihn, wer da will!
Man jagt und spornt ihn, doch er steht
Mit ihrem Herzen still.

O laßt sie donnern fort und fort!
An ihrem Grab verhallt es.
Ihr Dichter, sprecht ein grollend Wort,
Und zu dem ew'gen Gotte schallt es!

Es hat dem Vogel in dem Nest
Der Himmel nie gewankt;
Er dünkt die Mächtigen nur fest,
Solang der Thron nicht schwankt!

Palast und Purpur hin und her,
Ob Glanz sie überschütte -
Seid stolz, seid stolz, ihr seid ja mehr;
Seid ihr nicht Könige der Hütte?

Blitzt ewig nicht der Tau im Feld
Gleich wie der Diamant?
Ist nicht ob dieser ganzen Welt
Ein Baldachin gespannt?

Wiegt nicht die Rebe, die hinauf
An einem Strohdach gleitet,
Den unfruchtbaren Efeu auf,
Der sich um Zwingherrnburgen breitet?

Hoch, Sänger, schlage euer Herz,
Wie Lerchen in der Luft!
Es ruht sich besser allerwärts
Als in der Fürstengruft.

Ein Liebchen, das die Treue bricht,
Ist überall zu finden;
Verschmähet mir die Ringe nicht,
Doch laßt euch nie an Ketten binden!

Dem Volke nur seid zugetan,
Jauchzt ihm voran zur Schlacht,
Und liegt's verwundet auf dem Plan,
So pfleget sein und wacht!

Und so man ihm den letzten Rest
Der Freiheit will verkümmern,
So haltet nur am Schwerte fest
Und laßt die Harfen uns zertrümmern!

2.11.09

SOPHIE ALBRECHT: LIEBE


SOPHIE ALBRECHT (1757-1840)


LIEBE


Süße Qual in meinem Herzen,
Die sein holder Name giebt,
Ruft mit tausendfachen Schmerzen:
Nie als jetzt hab' ich geliebt!

Dieses Klopfen, dieses Sehnen,
Ha! wem gilt der Flammenstreit?
Sind der Tugend diese Thränen?
Sind der Wollust sie geweiht?

Sehnsucht, wie sie keine kannte,
Seit die Lieb' ein Weib gekannt,
Knüpfst du himmlisch unsre Bande?
Wirst du Unschuld noch genannt?

Tausend kühne Wünsche beben,
Kühn vermess'ne Pulse fliehn -
Wollt' ich ihnen Namen geben,
Würde Schaam die Stirn' umglühn.

Selbst der Tugend ernste Büste -
Einst mein schönstes Heiligthum -
Wandelt, seit sein Mund mich küßte,
Sich zur Liebesgöttin um.

1.11.09

SOPHIE MEREAU: MITGEFÜHL


SOPHIE MEREAU (1770-1806)


MITGEFÜHL


Wer nicht, voll reiner Menschenhuld,
mit rascher, schöner Ungeduld,
der Brüder tiefes Leiden sieht,
und tätig es zu lindern glüht;

Der, dessen Herz nicht höher schlägt,
von Mitempfindung süß bewegt,
wenn, von des Glückes Hauch belebt,
die Freude fremde Busen hebt:

Und flög' sein Nam' im Lichtgewand
des Ruhmes über Meer und Land,
und ordnete sein Herrscherblick
von Millionen das Geschick;

Und hätte ihm des Schicksals Hand
der Gaben schönste zugesandt:
das Glück, geliebt zu sein - gebricht
ihm dies Gefühl - ich neid' ihn nicht!

O Mitgefühl, der Menschheit Glück!
was trocknete den nassen Blick
was hielt' an der Verzweiflung Rand
zurück, wär's nicht der Freundschaft Hand?

Sei ewig, ewig heilig mir!
Schon manche Freude dank' ich dir.
Weint einst mein Aug' in Mißgeschick,
so tröste mich dein Engelblick!