19.4.15

CLAIRE GOLL: DASS VÖGEL SIND!




CLAIRE GOLL


DASS VÖGEL SIND!

Dass Vögel sind!
Füsschen im Schnee!
Federn um Gesang
Kleiner Ball voll Gefühl.
Von Sehnsucht geschleudert
Aus einer Welt in die andre,
Von einem Klima zum andern.
Dass Vögel sind! Ziehende Vögel,
Rührend klein vor dem grossen Raum,
zarter Flug um Gott.
Wie möchte man knien
weil Vögel sind!

18.4.15

YVAN GOLL: MEINE WIESE DU




YVAN GOLL


MEINE WIESE DU

Meine Wiese du
Mit Aprikosenlippen!
Im stillen Wasser deiner Augen
Wippen zwei Bachstelzen,
Und ich bade
Meine müde Seele drin.

Vergissmeinnicht blühn
In deinen Grübchen,
Sie gleichen dir alle wie kleine Nichten.

Der Wind spielt Harfe im deinem Haar.
Und wie ein fernes Angelus
Tönt mir dein Herz.

15.4.15

RAINER MARIA RILKE: ÜBUNG AM KLAVIER




RAINER MARIA RILKE


ÜBUNG AM KLAVIER

Der Sommer summt. Der Nachmittag macht müde;
sie atmete verwirrt ihr frisches Kleid
und legte in die triftige Etüde
die Ungeduld nach einer Wirklichkeit,

die kommen konnte: morgen, heute abend -,
die vielleicht da war, die man nur verbarg;
und vor den Fenstern, hoch und alles habend,
empfand sie plötzlich den verwöhnten Park.

Da brach sie ab; schaute hinaus, verschränkte
die Hände; wünschte sich ein langes Buch -
und schob auf einmal den Jasmingeruch
erzürnt zurück.
Sie fand, dass er sie kränkte.


14.4.15

JOHANNES R. BECHER: RÜCKZUG




JOHANNES R. BECHER (1891-1958)


RÜCKZUG


Was soll dies unter klatschendem Regen Tönen,
Der ich voll Trauer bin und klage um Verlust?
Was soll der halbverfallenen Gebäude Stöhnen
Bei rasselnder Stürme Sägen und Gehust?

Ich will mich mit dem Alltag jetzt versöhnen,
Wild schuften in der Berge glühendem Bruch,
Gern unter Hämmerdonner und der Karren Dröhnen
Gedrückter Untertan sein harten Fluchs.

Dämonen sich im Traume um mich scharen,
Zerwirkt bin ich vom Sturm und aufgebraucht,
Doch werd ich manchmal mit den Zügen fahren,

Die gegen Abend gehn, bei steilem Rauch
Mit hohem Pfiff nach schönen Ländern wimmern,
Wo über menschlichem Gestrüpp noch Sterne flimmern.