31.5.18

EMMY HENNINGS: ÄTHERSTROPHEN



EMMY HENNIΝGS


ÄTHERSTROPHEN

Jetzt muß ich aus der großen Kugel fallen.
Dabei ist in Paris ein schönes Fest.
Die Menschen sammeln sich am Gare de l‘est
Und bunte Seidenfahnen wallen.


Ich aber bin nicht unter ihnen.
Ich fliege in dem großen Raum.
Ich mische mich in jeden Traum
Und lese in den tausend Mienen.


Es liegt ein kranker Mann in seinem Jammer.
Mich hypnotisiert sein letzter Blick.
Wir sehnen einen Sommertag zurück...
Ein schwarzes Kreuz erfüllt die Kammer...

< Dieses Gedicht ist für Hardy >

30.5.18

HERMANN BROCH: DENN DAS WAHRE IST ERNST



HERMANN BROCH


DENN DAS WAHRE IST ERNST

Denn das Wahre ist ernst; traue der Heiterkeit nicht.
Es verblassen des Abends die Farben der Landschaft,
auch die heitersten,
und sie zeigt ihre ernsten Linien,
wenn der dunkelnde Ölbaum gegen des Himmels Dämmergrau
steht eingehüllt in Unbeweglichkeit.
Oh das Gewesene, das sich abends herabsenkt
als Ahnung des Immerseienden.
Dann wird der Stein zum Kristall, das Tagewerk aber ruht im
Ernste zum wahren Bleiben.

29.5.18

KARL KROLOW: SEESTÜCK



KARL KROLOW





SEESTÜCK

Da angelt kein Mensch
einen Schellfisch
vor lauter Küste!
Verschiedene Dampfer
fahren vorbei, beliebig,
als wäre überall Wasser,
das bis auf den Grund
naß ist. Die Oberfläche
bleibt schiffbar und blau,
eine Postkarte lang,
die man von Bord schreibt.
Gefühl für die Nautik
hat niemand, solange
er nicht am Land steht
und winkt.

MASCHA KALÉKO: EMIGRANTEN-MONOLOG




MASCHA KALÉKO


EMIGRANTEN-MONOLOG

Ich hatte einst ein schönes Vaterland –
so sang schon der Flüchtling Heine.
Das seine stand am Rheine,
das meine auf märkischem Sand.

Wir alle hatten einst ein (siehe oben!)
Das fraß die Pest, das ist im Sturz Zerstoben.
O Röslein auf der Heide,
dich brach die Kraftdurchfreude.

Die Nachtigallen wurden stumm,
sahn sich nach sicherm Wohnsitz um,
und nur die Geier schreien
hoch über Gräberreien.

Das wird nie wieder, wie es war,
wenn es auch anders wird.
Auch, wenn das liebe Glöcklein tönt,
auch wenn kein Schwert mehr klirrt.

Mir ist zuweilen so, als ob
das Herz in mir zerbrach.
Ich habe manchmal Heimweh.
Ich weiß nur nicht, wonach.

28.5.18

PAUL ZECH: DER WALD




PAUL ZECH


DER WALD

Reißt mir die Zunge aus: so habe ich noch Hände,
zu loben dieses inselhafte Sein.
Es wird ganz Ich und geht in mich hinein,
als wüchsen ihm aus meiner Stirn die Wände,

wo klar die Berge zu den Wolken steigen.
Ich will mit dem gerafften Licht
ins Blaue malen das noch nie geschriebene Gedicht
und es in alle Himmel klar verzweigen.

Denn hier ist Eingang zu dem Grenzenlosen;
hier ward die Welt zum zweiten Male Kind
aus den gezognen weißen und den schwarzen Losen.

Tritt ein, der du verwandert bist und blind!
Wenn einst in Träumen laut war hohes Rufen
um Gott -: Die Bäume sind zu ihm die Stufen.