23.7.16

JOHANNES R. BECHER: RUHE




JOHANNES R. BECHER


RUHE

     Für Leonhard Frank

Wir lagen in der Wiese feuchtem Nest,
Vergraben unsere Köpfe, hart wie Stein,
Derweil die Sonne sank im kühlen West
In grauer Berge langgestreckten Schrein.

Mit schnellen Vögeln Abendtöne flogen.
Auf schwarzen Wegen schwankten Kinderreihn.
Durch unsere Glieder weiche Gräser zogen.
In unsere Augen bogen Blumen ein.

Schon rauschte, Wassersturz, der Hunde Bellen,
Da unsere Körper sanken auf den Grund
Vergessener Meere: laues Spiel der Wellen,

Der trägen Fische angestaunter Fund.
Es raschelten wie feine Silberschellen
Korallenbäume auf verborgenem Sund.

15.7.16

WOLFGANG BORCHERT: IN HAMBURG




WOLFGANG BORCHERT


IN HAMBURG

In Hamburg ist die Nacht
nicht wie in anderen Städten
die sanfte blaue Frau,
in Hamburg ist sie grau
und hält bei denen, die nicht beten,
im Regen Wacht.

In Hamburg wohnt die Nacht
in allen Hafenschränken
und trägt die Röcke leicht,
sie kuppelt, spuckt und schleicht,
wenn es auf schmalen Bänken
sich liebt und lacht.

In Hamburg kann die Nacht
nicht süße Melodien summen
mit Nachtigallentönen,
sie weiß daß uns das Lied der Schiffssirenen,
die aus dem Hafen stadtwärtsbrummen,
genau so selig macht.