27.12.12

THEODOR FONTANE: SO UND NICHT ANDERS




THEODOR FONTANE 


SO UND NICHT ANDERS

Die Menschen kümmerten mich nicht viel,
Eigen war mein Weg und Ziel.  

Ich mied den Markt, ich mied den Schwarm,
Andre sind reich, ich bin arm.  

Andre regieren (regieren noch),
Ich stand unten und ging durchs Joch. 

Entsagen und lächeln bei Demütigungen,
Das ist die Kunst, die mir gelungen.  

Und doch, wär`s in die Wahl mir gegeben,
Ich führte noch einmal dasselbe Leben. 

Und sollt` ich noch einmal die Tage beginnen,
Ich würde denselben Faden spinnen. 

ERNST STADLER: IN DIESEN NÄCHTEN


ERNST STADLER (1883-1914)



IN DIESEN NÄCHTEN

In diesen Nächten friert mein Blut nach deinem Leib, Geliebte.
O, meine Sehnsucht ist wie dunkles Wasser aufgestaut vor Schleußentoren,
In Mittagsstille hingelagert, reglos lauernd,
Begierig, auszubrechen. Sommersturm,
Der schwer im Hinterhalt geladner Wolken hält. Wann kommst du, Blitz,
Der ihn entfacht, mit Lust befrachtet, Fähre,
Die weit der Wehre starre Schenkel von sich sperrt? Ich will
Dich zu mir in die Kissen tragen so wie Garben jungen Klees
In aufgelockert Land. Ich bin der Gärtner,
Der weich dich niederbettet. Wolke, die
Dich übersprengt, und Luft, die dich umschließt.
In deine Erde will ich meine irre Glut vergraben und
Sehnsüchtig blühend über deinem Leibe auferstehn.

8.12.12

JAKOB VAN HODDIS: AM LIETZENSEE


JAKOB VAN HODDIS



AM LIETZENSEE

     Meinem Freunde Georg Heym

Die rote Sandsteinbrücke packt
Staubig die andere Seite vom schwärzlichen Tümpel.
Laternen. Das verirrte Mondlicht zackt
Über Sträucher und Wellen und träges Gerümpel.

Doch zu uns tönt der Abendschrei der Stadt.
Ich spüre noch die Lust der vielen Straßen
Und Trommelwirbel um Fortunas Rad.
Doch du stehst vor mir schläfrig und verblasen.

Feindselig reichst du mir die plumpe Hand,
Von neuem Zorn die starke Stirn betört.
Und als ich längst schon meinen Weg gerannt,
Hat alle Schritte noch dein Traum gestört.