6.8.12

WOLFGANG WEYRAUCH: ROSA, DIE FRANKFURTERIN



WOLFGANG WEYRAUCH


ROSA, DIE FRANKFURTERIN

Beckmann, Maler, nahm sie in das Bild,
Synagoge, Litfaß-Säule, Platz
malen ist nicht schreiben. Fehlt der Satz
von der Rosa, die das Bild verhüllt.

Rosa war ein Mädchen, wie Ihr es seit,
Bürgerin aus Frankfurt an dem Main,
hatte alles, Busen, Schoß und Bein,
aber eines nicht: Gerechtigkeit.

Hatte wieder mehr als andere, Stern,
mit dem Zacken, gelb, ein Todespaß,
doch sie biß nicht in das gelbe Gras,
hatte doch das grüne Gras zu gern.

Sprang, zu Freunden, in das grüne Dach,
bis der Bomben Brand vom Himmel sprang;
wenn das Pack vom Judenmesser sang,
Rosa lag im Kohlenkasten wach.

Als der Krieg schon fast zuende war,
trieb der Hunger Rosa hoch. Und aus
wars mit ihr, und aus mit Mann und Maus,
Haut und Haar der ganzen Mörderschar.

Sind es alle? fragt der Schreiber sich,
wenn er mitten durch die Straßen streicht,
Rosas Mörder ist mein Wirt vielleicht,
und jetzt haßt er meinen Satz und mich.

Beckmann, Max, wir danken Dir Dein Bild,
Synagoge, Säule, Lampe, Draht,
gib uns einen guten Rat und gute Tat,
denn Du malest alles unverhüllt.

Seht, die Mauern, Fenster schief und krumm
seht das alte Bild: es irrt sich nicht,
unterm gelben Neonröhrenlicht
wird gefragt, die Frage läuft herum.

Schornstein, Zaun sind krumm und schief, und nur
Mond und Katze sind im Gleichgewicht.
Mensch, aus Faß und Brett mach Dein Gericht.
Stell Dich drauf. Du witterst Deine Spur.

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