6.2.11

WALTER HASENCLEVER: 1917


WALTER HASENCLEVER (1890-1940)


1917


Halte wach den Hass. Halte wach das Leid.
Brenne weiter am Stahl der Einsamkeit.

Glaube nicht, wenn du liest auf diesem Papier,
ein Mensch ist getötet, er gleicht nicht dir.

Glaube nicht, wenn du siehst den entsetzlichen Zug
Einer Mutter, die ihren Kleinen trug.

Aus dem rauchenden Kessel der brüllenden Schlacht,
Das Unglück ist nicht von Dir gemacht.

Heran zu den elenden Leichenschein,
Wo aus Fetzen starrt eines Toten Bein.

Bei dem fremden Mann, vom Wurm zernagt,
Falle nieder, du, sei angeklagt.

Empfange die ungeliebte Qual
Aller Verstoß'nen in diesem Mal.

Ein letztes Aug', das am Äther trinkt,
Den Ruf, der in Verdammnis sinkt;

Die brennende Wildnis der schreienden Luft.
Den rohen Stoß in die kalte Gruft.

Wenn etwas in deiner Seele bebt,
Das dies Grauen überlebt.

So lass es wachsen, auferstehn
Zum Sturm, wenn die Zeiten unter gehn.

Tritt mit der Posaune des jüngsten Gerichts
Hervor, o Mensch, aus tobendem Nichts!

Wenn die Schergen dich schleppen aufs Schafott,
Halte fest die Macht! Vertraue auf Gott:

Das in der Menschen Mord, Verrat,
Einst wieder leuchte die gute Tat;

Des Herzen Kraft, der Edlen Sinn
Schwebt am gestirnten Himmel hin.

Das die Sonne, die auf Gute und Böse scheint,
Durch soviel Ströme der Welt geweint,

Gepulst durch unser aller Schlag,
Einst wieder strahle gerechtem Tag.

Halte wach den Hass. Halte wach das Leid.
Brenne weiter, Flamme! Es naht die Zeit.

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