8.6.12

WOLFGANG WEYRAUCH: GESANG UM NICHT ZU STERBEN


WOLFGANG WEYRAUCH (1904-1980)


GESANG UM NICHT ZU STERBEN

Gesang, in Augenblicken
von keinem Laut bewegt,
wenn Schattenhäupter nicken,
vom Schattenrumpf gesägt,

Gesang, in Sand geschrieben,
weil das Papier zerriß -
wird auch der Sand zerrieben,
weil Tritium ihn biß?

Gesang, um nicht zu sterben,
Gesang, nachdem ich schlief -
selbst Staub und Tang und Scherben
sind radio-aktiv.

Gesang, die Frage stellend,
weshalb, seit wann und wie
ein Fisch, zum Maste schnellend,
gefoltert Sätze schrie?

Gesang, daß Wasserzeichen
nicht schwemmen in die Stadt,
dass keine Haie laichen
diesseits von Meer und Watt,

Gesang, kein Grab zu graben,
wenn Angst die Schaufel lenkt,
eh Trümmerfrauen haben
die Tücher aufgehängt.

Gesang, gesungen gegen
den Splitter in den Flaum -
verhört in den Gehegen,
verstummen Lied und Traum,

Gesang, Schalmei und Flöte -
die Kinder wandern aus,
der Hauch der Morgenröte
verläßt das alte Haus.

Gesang, um nicht zu sterben,
Gesang, nachdem ich schlief;
es zittert das Verderben,
gefangen, schwarz und tief.

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