7.6.12

LUDWIG FULDA: DIE ERSCHAFFUNG DES WEIBES



LUDWIG FULDA (1862-1939)


DIE ERSCHAFFUNG DES WEIBES
(Nach einer indischen Legende)

Brahma, Schöpfer alles Lebens,
Saß und sann im Weltenmai,
Sann und grübelte vergebens,
(seufzend:)
Wie das "W e i b" zu schaffen sei.
Denn als er den M a n n geschaffen,
Hatte seine Meisterhand
Alle festen alle straffen
Elemente schon verwandt.-
(Fragend:)
Wie das neue Werk beginnen,
Da kein Stoff mehr übrig war?
Erst nach langem, tiefem Sinnen,
Ward's ihm endlich offenbar:
(Tempo)
Und er nahm der Blume Sammet
Und den frommen Blick des Rehs
Und die Glut, die lodernd flammet,
Und den kalten Hauch des Schnees;
Nahm den schlanken Wuchs der Gerte
Und des Windes Flattersucht,
Und des Diamanten Härte
Und die Süßigigkeit der Frucht;
Nahm den zarten Schmelz vom Laube
Und den Flaum vom Sperlingskleid,
(weich:)
Das Gegirr der Turteltaube
(grausam:)
Und des Tigers Grausamkeit;
Und vom morgendlichen Rasen
Nahm er Tränenfluß des Taus,
Nahm die Furchtsamkeit des Hasen
Und die Eitelkeit des Pfaus;
Nahm vom Schilfe das Gezitter
Und des Vollmonds schwelllend Rund
Und des Sonnenstrahles Flitter
Und des Hähers Plappermund;
Nahm der Kletterpflanze Schlingen,
Nahm der Schlange Wellenleib,
(mit gewisser gläubiger Begeisterung:)
Und aus a l l e n diesen Dingen
Schuf der Weltenherr das - "W e i b". -
Und dem Manne zum Genossen
gab er es mit güt'gem Sinn;
(aufgeregt:)Doch bevor ein Mond verflossen,
Trat der Mann vor Brahma hin,
(verlegen)
Und er sprach: O Herr, das Wesen,
Das du mir so gnadenvoll
Zur Gesellschaft hast erlesen,
Macht mich elend, macht mich toll.
Ach, es p l a p p e r t Tag'und Nächte,
Raubt mir S c h l a f und Z e i t und R u h ',
F o r d e r t viel, doch n i e das
R e c h t e,
Stört und quält mich immerzu.
(verzweifelt:)
Es vergiftet mir mein Leben,
Es zertrümmert mir mein Glück
(flehend:)
D u , der mir das Weib gegeben,
Großiger Brahma, n i m m 's   z u r ü c k !
(Erzählend:)
- Brahma tat nach seiner Bitte;
Doch nach einer Woche schon,
trat der Mann mit raschem Schritte
Wiederum vor seinen Thron.
(Furchtsam:)
"Herr", so sprach er scheu bekommen,
"Meines Jammers dich erbarm".
(Als sei es ihm selbst unverständlich:)
Seit mir dies Geschöpf genommen,
Ward mein Leben leer und arm.
(Sinnlich:)
Ach, gedenken muß ich täglich,
Wie dies Wesen tanzt'und sang,
Wie's mich ansah, herzbeweglich
Und mit weichem Arm umschlang,
Die geschmeidig sanften Glieder
Und das liebliche Gesicht.
(Bittend:)
Brahma, gib das Weib mir w i e d e r ,
(jauchzend:)
Meines Lebens Lust und Licht!"
(Erzählend:)
Brahma stillte sein Verlangen
Doch drei Tage kaum vergangen
Kam der Mann mit bleichen Wangen
Abermals zurück und sprach:
(zerknirscht:)
"Sieh mich, Herr, voll bitt'rer Reue!
Ach, ich war ein blinder Tor;
Seit das Weib mir ward aufs n e u e ,
Bin ich ä r m e r als zuvor.
(Entschlossener Trotz:)
Niemals wieder mich betrügen
Wird ihr Lächeln und ihr Kuß
(kleinlaut:)
Winzig klein ist das Vergnügen,
(bedeutungsvoll:)
Riesengroß ist der Verdruß.
Ach, mir blieb kein Hoffnungsschimmer;
Drum erhör'mich, großiger Gott;
(flehend:)
N i m m   d a s   W e i b   m i r   a b
f ü r    i m m e r ! "
(Streng, zornig:)
Brahma forsch: "Bin ich dein Spott?!
(Befehlend:)
Scher'dich heim! Für deine Klagen
Bleibt mein Ohr fortan verschanzt;
Lern's so gut es geht, ertragen,
Was Du nicht entbehren kannst."
(Seufzend:)
Traurig schlich der Mann von hinnen,
Und im Wandern seufzt'er bang':
"Großiger Brahma, nicht entrinnen
Werd' ich meinem Untergang.
Was du mir heraufbeschworen
Durch das Weib, verschmerz'ich nie;
B e i d e m a l bin ich v e r l o r e n -
M i t ihr - - - oder o h n e sie."

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