23.4.09

PAUL ZECH: DIE NÜCHTERNE STADT


PAUL ZECH (1881-1946)


DIE NÜCHTERNE STADT


Straßauf, straßab durchstreifen wir die Stadt,
die graue Stadt, die Stadt zermürbter Brücken.
Verlumpte Bettler drohen giftig mit den Krücken
und Händler drücken uns an Häusern platt.

Aus Wirtshausfenstern wirbelt fetter Bratgeruch
und Lustgebrüll aus hundert Singspielhallen.
Wir müssen schnell die Riemen fester schnallen
und ducken uns vor Fremdenhaß und Lästerfluch.

Den Korso überwölkt Geheul von Schiffsfanfaren
und Bahngeräusch bleit sich in unsre Nerven rücksichtslos.
Aus Pflasterritzen wuchert Unkraut riesengroß.

Verkrüppelt stehn paar Linden am Kanal.
Verstimmte Glocken überwimmern Lust und Qual
und nirgend sieht man Kinder, die sich um ein Spielwerk scharen.

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