22.10.08

HEINZ KAHLAU: BILANZ


HEINZ KAHLAU (1931)


BILANZ


Ich wurde schon früh
um die erste Liebe betrogen.
Mich zwang eine Hure ins Bett,
als noch nichts von dem Mann an mir war.
Sie hat mir das Hemd
mit den Schenkeln vom Leibe gezogen.
Ich hatte am Bauch und am Kinn
noch kein einziges Haar.

Ich war kaum der Schule entlaufen
und hatte bisher von der Liebe
gedacht, daß sie schön wie Musik
und so warm wie der Sonnenschein sei.
Sie ließ meine Unschuld
im Fett ihrer Brüste ersaufen
und riß im Gestöhn ihrer Brunst
meine kindliche Seele entzwei.

Ich hab in den Jahren danach
nicht ein einziges Mal mehr gelitten.
Für mich war das Weib nur aus Fleisch
und aus Geilheit gemacht.
Ich nahm, was ich brauchte,
und pfiff auf Moral und auf Sitten
und hab über jedes Gesäusel
von Liebe und Sehnsucht gelacht.

Mich kotzte der Rummel bald an,
denn ich kannte das ganze Vergnügen
und habe schon vorher gewußt,
was sich nachher ergibt.
Ich fühlte so viel wie ein Ast
und mußte mich selber betrügen
und habe nicht einmal
in all diesen Jahren geliebt.

Dann habe ich dich -
und habe mich selber gefunden
und wollte nicht glauben,
daß mich schon dein Lächeln erschreckt.
Ich habe gegrinst und gespottet,
ich hab mich gewehrt und gewunden
und hab meine Liebe so ängstlich
wie ein Gebrechen versteckt.

Du warst eine Frau -
du wolltest nicht nur dein Vergnügen.
Du hast mir gegeben,
was man nur einmal vergibt.
Ich war wie ein Kind
und mußte mich nicht mehr belügen
und wurde zum ersten Male
in all diesen Jahren geliebt.

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