13.6.08

LUDWIG EICHRODT: NARRHEITEN


LUDWIG EICHRODT (1827-1892)


NARRHEITEN


Wornach steht mir der Sinn?
Zerrüttet ist mein Denken,
All meine Träume lenken
Auf einen Punkt nur hin,
Auf ihren Mund, den süßen,
Und den zu küssen!

Entweiche, Phantasie!
Du stolze, tiefbeschämte!
Ein schönes Mädchen lähmte
Die Schwinge dir, denn nie
Erschufst du Reiz, so süßen,
Ha! sie zu küssen!

Seit ich ihr Antlitz sah,
Das wonnige, das liebe,
Das unaussprechlich liebe,
Steht mir der Wahnsinn nah -
O Antlitz, mit dem süßen,
Dem Mund zu küssen.

So schwebt mir dort und hier
Der Zaubermund vor Augen,
Will Hirn und Herz mir fangen
Und alles Blut aus mir:
O Raserei, den süßen
Mund nicht zu küssen!

Treff ich nicht bald einmal
Die Lippen rasch zu kosten,
So soll mein Wille rosten
Wie ein entehrter Stahl.
Ich stürbe gern, den süßen
Den Mund zu küssen!

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