21.8.14

HANS MAGNUS ENZENSBERGER: Α




HANS MAGNUS ENZENSBERGER


A

Bevor du B sagst, verweile doch,
horch, bedenk,
was du gesagt hast. Ein Vokal,
der wenig bedeutet,
viel in Bewegung setzt.
Einmal den Mund aufgemacht,
und du treibst deine sterbliche Hülle
zu Leistungen an
von kosmischer Komplexität:
ganze Kaskaden von Reizen,
Berechnungen, Turbulenzen,
hinter dem Rücken dessen,
der Ich ist – vom Gehirn,
das nicht redet
und jeder Wissenschaft spottet,
zu schweigen.

20.8.14

GÜNTER EICH: SPÄTER MOHN




GÜNTER EICH


SPÄTER MOHN

Rot überm Rüben-
acker entflammt,
Mohn, der von drüben
dem Acheron stammt,
wie der Oktober ihn pflückt,
von alternder Sonne berückt.

Dunkler am Blüten
hebt sich aus Mythen
entschlummert ein Haupt,
Charon mit Helios scheint
in Hufschlag und Ruder vereint.

Mohn, ist das Schreien
eben verstummt,
weich in die Schleier
des Herbstes gemummt,
wie er die Schönheit bedenkt,
die Lider zum Schlafe gesenkt?

1.8.14

REINER KUNZE: VON DER INSPIRATION




REINER KUNZE


VON DER INSPIRATION

Nur ein anfänger von engel
fliegt unterhalb der wolken
(noch ist er in sich selbst
nicht weit genug entfernt vom menschen)

Wenn deine stirn ein flügel streift,
ist’s einer von ihnen,

und du stehst am anfang
wie er