27.11.12

ERNST STADLER: REINIGUNG


ERNST STADLER (1883-1914)



REINIGUNG

Lösche alle deine Tag' und Nächte aus!
Räume alle fremden Bilder fort aus deinem Haus!
Laß Regendunkel über deine Schollen niedergehn!
Lausche: dein Blut will klingend in dir auferstehn! -
Fühlst du: schon schwemmt die starke Flut dich neu und rein,
Schon bist du selig in dir selbst allein
Und wie mit Auferstehungslicht umhangen -
Hörst du: schon ist die Erde um dich leer und weit
Und deine Seele atemlose Trunkenheit,
Die Morgenstimme deines Gottes zu umfangen.

19.11.12

JOHANN WOLFGANG VON GOETHE: WANDERERS NACHTLIED




JOHANN WOLFGANG VON GOETHE


WANDERERS NACHTLIED

Über allen Gipfeln
Ist Ruh,
In allen Wipfeln
Spürest du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur, balde
Ruhest du auch.

18.11.12

NOVALIS: AN MEIN SCHWERT




NOVALIS


AN MEIN SCHWERT

Ich wuchs, da gab mein Vater mir
Ein Schwert von hartem Stahl,
Nun weihe ich ein Liedchen dir
O eines Jünglings schönste Zier
Nun mein zum erstenmal.

Sei stets des Hülfbedürftgen Schutz
Geführt vom starken Arm
Und biete jedem Feinde Trutz
Sei meinen Freunden stets zu Nutz,
Zerstreu der Räuber Schwarm.

Doch diene den Tyrannen nicht
Und blink fürs Vaterland
Und hau den, der für Sklaven ficht,
(Gewiß er ist ein schlechter Wicht),
Geführt von meiner Hand.